Mammascreening – erfolgreicher Kampf
RadiologInnen setzten sich gegen Zentralisierungsabsichten durch
Nachdem im Vorjahr erste Pläne über die Neuorganisation des Mammascreenings auftauchten und auch bereits medial öffentlich wurden, hatten sich die Parteien bei Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geeinigt und wollten das Thema nicht weiter über die Medien diskutieren. Als die Gefahr bestand, dass Gesundheitsminister Stöger seinen Vorschlag, ein flächendeckendes Screening-Programm nach deutschem Vorbild durchzusetzen drohte, war es mit dem Gentleman-Agreement vorbei und die Radiologen suchten die Hilfe der Öffentlichkeit – mit Erfolg! Nun gibt es – wie die nebenstehende Aussendung des Hauptverbandes zeigt – einen Rückzieher.
Die Vorgeschichte
Im Dezember 2010 ließ nach langen Verhandlungen Gesundheitsminister Stöger mit der Meldung aufhorchen, dass zukünftig ein Mammascreening-Modell nach deutschem Vorbild in Österreich eingeführt werden soll (dem lag eine EU-Forderung zugrunde). Dieses sah vor, dass zwar alle Frauen zwischen 50 und 70 zu einer solchen Untersuchung eingeladen werden, aber die Untersuchungen „zentralisiert“ in nur wenigen Untersuchungsstellen zuzuführen wären und außerdem die derzeit übliche Ultraschalluntersuchung wegfallen würde. Damit wären die Radiologen von diesem Programm ausgeschlossen gewesen.
Schlimme Folgen
Der Vorschlag von Gesundheitsminister Stöger hätte weitreichende Folgen gehabt. Namhafte österreichische Experten verwiesen darauf, dass rund 15 Prozent der Krebsfrüherkennungen auf die zusätzliche Ultraschalluntersuchung zurückzuführen wären und diese in den zentralen Untersuchungsstellen nicht mehr erkannt werden könnten. Dort würde auch der persönliche Patientenkontakt fehlen.
Das Stöger-Modell basiert auf einer EU-Vorgabe, die aber laut Experten das österreichische Modell verschlechtern würde. Die Idee, die Untersuchungen nur in rund 20 staatlichen Einrichtungen durchzuführen, hätte zweifellos auch wirtschaftliche Auswirkungen auf die Radiologen. Wenn alle Frauen in Alter zwischen 50 und 70 Jahren anderswo ihr Mammographiscreening durchführen ließen, gingen den bestehenden Ordinationen Millionen verloren, und teure Investitionen würden sich nicht mehr rechnen.
Es wurden auch Zweifel über die Effektivität der geplanten Vorsorgeuntersuchungen ohne Ultraschall und persönlichem Ärztekontakt laut. „Meine Daten von über 1.000 Brustkrebspatientinnen zeigen eindeutig, dass die Brustkrebssterblichkeit, bei jenen, wo die Diagnose zufällig gestellt wurde, fast drei Mal so hoch ist, wie bei bei jenen, wo der Krebs im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung entdeckt wurde“, meint der Brustkrebsspezialist Dr. Diether Manfreda.
Zähe Verhandlungen
Noch im Feber schrieb der Vorsitzende der Bundesfachgruppe Radiologie der österreichischen Ärztekammer, Dr. Franz Frühwald, an seine KollegInnen: „Wir haben in 26 Verhandlungsrunden versucht, den Hauptverband davon zu überzeugen, dass das heute in Österreich angewandte Programm mit Mammographie, liberal eingesetztem Ultraschall und Tastuntersuchung sowie persönlicher Betreuung der Frauen dem deutschen System deutlich überlegen ist. Unter Hinweis auf die nicht vorliegende Evidenz wurde das immer abgeschmettert und vom Tisch gewischt.“ Zahlen aus Tirol und Salzburg konnten dann doch nicht außer Acht gelassen werden. Diese belegten das Funktionieren des aktuellen Systems. Frühwald vermutet Begehrlichkeiten des Hauptverbandes, die Hälfte der 50 Millionen Euro, die für das Screening ausgegeben werden, unter dem Titel Verwaltungskosten dem eigenen Budget zuzuführen.
Proteste läuteten Wende ein
Im Mai war dann Schluss mit dem Stillhalteabkommen. Initiativen in Kärnten mobilisierten die Patientinnen und die Politik. Gesundheitsreferent Peter Kaiser (SPÖ), Kärntens Frauenreferentin Beate Prettner (SPÖ), Wilma Warmuth (FPK), FPÖ-Gesundheitssprecher Andreas Karlsböck, die Ärzte Dr. Dieter Manfreda, Dr. Jörg Tschmelisch und Dr. Wilfried Westritschnig sorgten mit anderen für einen entsprechenden medialen Wirbel. Außerdem wurden Unterschriften von Patientinnen gesammelt. „Der Widerstand der betroffenen Frauen gegen die geplante ‘Fließbandmethode’ der Vorsorge ist groß“, führte Westritschnig aus.
Hauptverband lenkte ein
Die Proteste aus Kärnten blieben nicht ungehört – schließlich war ein österreichweiter Aufschrei der Patientinnen zu befürchten, die über die Ärzte durchaus für das sensible Thema zu gewinnen waren. Jedenfalls ist von den nur mehr rund 20 zentralen Untersuchungseinrichtungen keine Rede mehr. Für die Patientinnen ist es aber auch wichtig, dass alle Frauen am Screeningprogramm mitmachen können – persönlich eingeladen werden die 45- bis 70jährigen. Da nun rund 200 radiologische Praxen in das Programm einbezogen werden, bleiben auch die Sonografie und das Abtasten aufrecht. Die Radiologen haben sich somit im Interesse der Patientinnen, wie auch im eigenen, durchsetzen können.
Vorsicht geboten
„Noch ist nicht aller Tage Abend“, warnt ein Insider, „denn es gibt Gerüchte, dass die 20 ursprünglich geplanten Untersuchungszentren von einem Privaten betrieben hätten werden sollen. Dieses Thema ist nicht vom Tisch, denn was sich hinter der erforderlichen Qualifizierung für die Teilnahme am Screening-Programm verbirgt, weiß noch niemand.“ Dennoch freut sich auch dieser kritische Insider, weil mit der Protestaktion deutlich wurde, welche Macht Ärzte mit Hilfe ihrer Patientinnen ausüben können und das sollte Hoffnung geben für allfällige weitere zukünftige Begehrlichkeiten der Politik, die ja bekanntlich wiedergewählt werden möchte.