Evolution von Enzym: gleich zweimal “erfunden”

Jul 2, 2012         Kategorie: Medizin

Wien (APA) – Hoch interessante Entdeckung von Wiener und Marburger Zellbiologen: Sie entdeckten in den Erregern der Schlafkrankheit (Trypanosoma brucei) ein Ribonuklease P-Enzym, das aus nur einem Eiweiß besteht. In allen höheren Zellen – von der Bäckerhefe bis zum Menschen – finden sich hingegen Ribonuklease P-Enzyme, die komplex sind und aus mehreren (neun bis zehn) Proteinen und einer RNA aufgebaut sind. Fazit: In der Evolution wurde das Enzym offenbar zweimal “erfunden”. Warum sich nicht das einfachere durchgesetzt hat, ist unklar.
“Das komplexe Enzym wird in der Wissenschaft als seltenes Relikt aus der ‘RNA-Welt’ angesehen, also aus der sehr frühen Entwicklungsgeschichte des Lebens”, sagte Walter Rossmanith vom Zentrum für Anatomie und Zellbiologie der MedUni Wien, gegenüber der APA. Alles spricht dafür, dass vor der “DNA-Protein-Welt” das Leben auf der Erde durch Ribonukleinsäuren bestimmt war. Erst später entstanden die Desoxyribonukleinsäure (DNA) und die in ihr codierten Proteine.


Vor vier Jahren entdeckten die Wissenschafter zunächst eine einfache Ribonuklease P, die aus nur drei Proteinen besteht, in den “Kraftwerken” der menschlichen Zellen (Mitochondrien). Nachgewiesen werden konnte sie dann auch in pflanzlichen Mitochondrien und Chloroplasten. Jetzt fanden Rossmanith und die Co-Autoren einer Studie in “Cell Reports” (online) aus Marburg und von den Max F. Perutz Laboratories in Wien im Zellkern des Erregers der Schlafkrankheit ein solches Enzym, das nur aus einem Eiweiß besteht. Ribonuklease P-Enzyme sind entscheidend für die Bildung von Transfer-RNAs, welche bei der Proteinsynthese die Bausteine für die Eiweißstoffe zu den Ribosomen transportieren. Dort entstehen dann die Proteine.
Austauschbare “Erfindungen”
Die Entdeckung ist für die Aufklärung evolutionärer Prozesse hoch interessant. Rossmanith: “Da wurde die Ribonuklease P offenbar zweimal ‘erfunden’.” Die Funktion der beiden Formen ist offenbar weitgehend ident. Der Wissenschafter: “Wir konnten das in den höheren Zellen vorkommende komplexe Ribonuklease-Enzym in Hefezellen durch das einfache in den Erregern der Schlafkrankheit vorliegende Enzym austauschen, ohne dass die Zellen in ihrer Funktion wesentlich beeinträchtigt wurden.”
In Sachen Evolution machen diese Erkenntnisse stutzig. Normalerweise setzen sich nämlich erfolgreiche einfachere, sparsame Varianten durch. Das ist das Prinzip der Ökonomie. Der Wissenschafter: “Es ist aufwendiger und fehleranfälliger ein komplexes, mehrteiliges Enzym zu produzieren als ein einfaches. Wir wollen jetzt die beiden Enzymformen weiter vergleichen, um zu verstehen, was der mögliche evolutionäre Vorteil des komplexen Enzyms ist.” In der Evolution setzt sich ein Variante nicht ohne Grund durch. Irgendetwas muss also auch an der komplexen Ribonuklease P “dran” sein.

Foto und Text: http://science.apa.at/site/medizin_und_biotech/detail.html?key=SCI_20120702_SCI3937135128487042

 

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