Ärztekammer skeptisch über Einsparungspotenzial im Gesundheitssystem
- Spitäler könnten zu “ökonomisch orientierten Durchreichestationen für Patienten” werden Wien (OTS) – Die Ärztekammer ist skeptisch hinsichtlich des
möglichen
- Einsparungspotenzials von 1,3 Milliarden Euro im
österreichischen Gesundheitssystem. Sowohl das Einsparungsvolumen bei
Mehrfachbefundungen als auch Einsparungsmöglichkeiten durch den
vermehrten Einsatz von Generika seien deutlich überzeichnet,
kritisiert der Präsident der Ärztekammer für Wien, Thomas Szekeres.
Szekeres räumt zwar ein, dass durch bestimmte strukturelle
Maßnahmen, wie beispielsweise zentrale Einkäufe in den Spitälern,
sich Kosten reduzieren ließen. Einsparungen durch geringere
Liegedauern und weniger Spitalsaufenthalte stellt er aber entschieden
in Abrede.
Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) ist in ihrer aktuellen Studie
von 375.000 vermeidbaren Spitalsaufenthalten – bei insgesamt 2,6
Millionen jährlich – ausgegangen. Szekeres dazu: “Niemand legt sich
in Österreich aus Jux und Tollerei in ein Spital.” Schon derzeit
würden dort, wo es medizinisch sinnvoll sei, verstärkt Patienten in
Tageskliniken behandelt. Als Beispiel führt Szekeres die
Augen-Tagesklinik im Wiener AKH an. “Dies aber auf alle medizinischen
Fachbereiche umzulegen, ist medizinisch unsinnig und damit
blauäugig.”
Gerade die postoperative Betreuung sei enorm wichtig, da es sonst
”unweigerlich zu neuen Spitalseinweisungen kommen würde”. Szekeres
befürchtet, dass mit einem unkontrollierten und undurchdachten Ausbau
von Tageskliniken Spitäler zu “ökonomisch orientierten
Durchreichestationen für Patienten” werden könnten.
Es bestehe die Gefahr, dass neue Tageskliniken zunehmend privat
geführt würden, was die Zwei-Klassen-Medizin in Österreich noch
stärker manifestiere. Szekeres: “Das geht eindeutig zulasten des
öffentlichen Gesundheitssystems, das sich dann mit teuren Langzeit-
und Akutfällen beschäftigen muss, während sich private Tageskliniken
die Rosinen aus dem Kuchen holen und so von einer mechanisierten
Fließbandmedizin profitieren.”
Was Szekeres in der GÖG-Studie komplett vermisst: “Wir könnten im österreichischen Gesundheitssystem viel effizienter sparen, wenn wir im Vorfeld eine gute extramurale Diagnostik aufbauten.” Im von der Ärztekammer seit Langem propagierten sogenannten Hausarztmodell wäre genau dies vorgesehen. Damit könne man Mehrfachbefundungen tatsächlich vermeiden, Patientenströme besser verteilen und damit medizinische Privilegien für alle sichern.
“Leider sind alle Bemühungen, den Hausarzt in Österreich
aufzuwerten, bislang über das Stadium von politischen
Lippenbekenntnissen nicht hinausgekommen”, kritisiert Szekeres. In
diesem Sinne sei auch die derzeit diskutierte Gesundheitsreform eine
”ausschließlich virtuelle, mit virtuellen finanziellen Töpfen”, sonst
aber keine konkrete Garantie für eine Effizienzsteigerung der
medizinischen Versorgung in Österreich, so Szekeres abschließend.
(hpp)
OTS0133 2012-06-25 12:40 251240 Jun 12 NAW0001 0380