Komplikationsmanagement aus der Sicht des Arztes
Es darf auf die Eigeninteressen der Mediziner nicht vergessen werden
Vorsorgen ist besser als heilen. Dieser weder in Medizin- noch in Patientenkreisen wenig sensationelle Spruch bleibt aber dennoch in vielen Bereichen ungehört. Das gilt auch für Ärzte – und zwar im metaphorischem Sinne.
Mediziner müssen schon von Berufs wegen Vorausschau halten. So hat jede Behandlung wie auch jeder Eingriff einen voraussichtlichen Zustand. Vorausschauhalten heißt aber auch allfällige Irreversibilitäten bzw. Komplikationen ins Kalkül zu nehmen. Natürlich kann immer etwas passieren – auch wenn man das verdrängt oder einfach nicht daran denken möchte. Psychologisch gesehen ist der Gedanke an Fehler oder unerwünschten Ergebnissen ein schlechter Ratgeber und auch kein idealer Begleiter zum angepeilten Ergebnis – einer Genesung, einer erfolgreichen Operation, einer gewünschten Heilung oder zumindest Verbesserung des Zustandes des Patienten. Paul Watzlawick hat mit seinen Studien zur selbsterfüllenden Prophezeiung nicht nur Epochales geleistet, sondern auch eine indirekte Warnung ausgesprochen: Gedanken an das Negative verursachen gerade dieses. Daraus ergibt sich für Ärzte ein kaum lösbarer Konflikt. Einerseitssollten sie vom Erfolg ihres Handelns zutiefst überzeugt sein, andererseits sind sie verpflichtet an Komplikationen und Misserfolge zu denken. Schon die gesetzliche Aufklärungspflicht setzt das voraus.
Der Verein ÄrzteService, der von Ärzten für Ärzte gegründet wurde, ist sich dieser impliziten Konfliktsituation bewusst. „Es gibt kaum eine Berufsgruppe, die so gefährdet ist, wie Mediziner. Sie stehen permanent in einem psychischen Konflikt zwischen erdachter Komplikation und gewünschten Behandlungserfolg. Auch wenn ersteres verdrängt wird, ist es im Unbewussten verortet“, meint der Psychologe DDDr. Karl Isak. Für den Geschäftsführer der Ärzteservice GmbH, Gerhard Ulmer, müssen potentielle Komplikationen schon frühzeitig gemanagt werden. Teil dieses Komplikationsmanagements ist ein abgestimmtes und professionelles Risikomanagement. „Neben den fachlichen Aspekten, welche zum medizinischen Qualitätsmanagement zählen, gehörtdas Versicherungsmanagement zum 1×1 eines professionellen Komplikationsmanagements.“ Ulmer versteht darunter eine auf die medizinische Fachgruppe abgestimmte Vorsorge. „Es geht darum, Eventualitäten zu erkennen und diese abzusichern. Für einen Chirurgen sind solche anders zu bewerten als für einen Pathologen.“ Für Ulmer ist also das richtige Risikomanagement gleichzeitig ein persönliches Vorsorgemanagement. „In letzter Konsequenz geht es nicht um Komplikationen, sondern um Existenzsicherung. Wenn ein Chirurg sich beim Basteln den Daumen abtrennt, ein Allgemeinmediziner eine falsche Behandlung durchführt oder ein Neurologe ein falsches Medikament verabreicht – diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen – für alle wäre das eine Frage der Existenz, ganz unabhängig von einem allfälligen Schaden, der auch auf Patientenseite passieren kann. Beim Komplikationsmanagement geht es also auch um durchaus egoistische Aspekte – ohne dass dabei die Patientenseite außer Acht gelassen werden darf.“ Damit rät Ulmer zu einem Gespräch mit einem Profi von Ärzteservice, „Weil das Thema erstens fachlich zu komplex ist und zweitens auch die Subjektivität des Arztes und eine allfällige Emotionalität einer rationalen Beurteilung bedarf“, so Ulmer.
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